Page 7 - Geschäftsbericht_2020
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Vorstand 7 gierung verabschiedeten kostenintensiven Leistungs- und Ver- sorgungsgesetze und ein konjunkturbedingter Rückgang auf der Einnahmenseite, der auf die Corona-Krise zurückzuführen ist. Am Ende führt diese Gemengelage zu einem erheblichen Finanzrisiko bei den gesetzlichen Krankenkassen. Daher ist es richtig und wichtig, dass die amtierende Bundes- regierung einen weiteren zusätzlichen Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds für das Jahr 2022 in die Wege geleitet hat. Bliebe dies aus, wäre durch unvermeidliche Zusatzbeitrags- satzerhöhungen bei den Krankenkassen die Zielmarke von 40 Prozent bei den Sozialversicherungsbeiträgen ernsthaft in Ge- fahr. Für eine konjunkturelle Wiederbelebung der Wirtschaft schlechte Vorzeichen. Dennoch bleibt die Finanzlage in der GKV angespannt. Nach dem Abbau der Rücklagen, den Nach- holeffekten in der medizinischen Versorgung, mit denen für 2022 gerechnet werden muss, und stagnierenden Beitragsein- nahmen ist davon auszugehen, dass zum Ende des nächsten Jahres wieder Diskussionen um einen weiteren Bundeszu- schuss anstehen. Daher muss nach der Bundestagswahl eine Weiterentwicklung der Finanzierung in der GKV ins Pflichten- heft der neuen Bundesregierung. Hierzu zählen insbesondere die Bewertung und Bereinigung der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die über viele Jahre hinweg zunehmend unseren Beitragszahlern übertragen wurden. Die Betriebskrankenkas- sen benötigen für die kommenden Jahre verlässliche Rahmen- bedingungen und finanzielle Planungssicherheit, damit wir mit unseren Partnern in Baden-Württemberg und Hessen weiter- hin gute Versorgung gestalten können. Ein weiteres Vorhaben der Bundesregierung, das uns als Landesverband und in ganz besonderem Maße die Betriebs- krankenkassen beschäftigt, ist die geplante Neuordnung zur Zulässigkeit von Werbemaßnahmen bei Krankenkassen. Der vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegte Entwurf einer Rechtsverordnung geht aus unserer Sicht an bestimmten Stellen zu weit. Teilweise nachvollziehbar ist, die Trikot- und Banden- werbung im Spitzen- und Profisport neu zu regulieren und hier Auswüchsen Einhalt zu gebieten. Das darf aber nicht dazu füh- ren, dass es Krankenkassen nicht mehr möglich ist, Sport- und Turnvereine oder regionale Sportveranstaltungen über Wer- bung finanziell zu unterstützen. Auch das geplante Verbot von Werbekooperationen mit Arbeitgebern sehen wir kritisch. Die Betriebskrankenkassen arbeiten eng mit ihren Trägerunterneh- men im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements zusammen. Dabei stehen wir für eine seriöse Informationspoli- tik in den Unternehmen. Es muss Betriebskrankenkassen mög- lich sein, in den Unternehmen auf ihre Angebote aufmerksam zu machen. Eine Überregulierung in diesem Bereich lehnen wir ab. Sie würde an der Lebenswirklichkeit vorbeigehen und ihr Ziel somit verfehlen. Auch auf die Regelung, wonach künftig die Aufwände für gewerblich vermittelnd tätige Dritte in das Gesamtwerbebudget einzubeziehen sind, sollte verzichtet werden. Gerade Betriebskrankenkassen nutzen Vertriebswege mit schlanken, flexiblen und wirtschaftlichen Strukturen. Ein Unterbinden dieser Möglichkeit würde kleine Krankenkassen wettbewerblich benachteiligen. Im Bereich der Pflege steht für die Bundesregierung in erster Linie die Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufes auf der Agenda. Hierzu wurden verschiedene Gesetze verabschiedet, die sowohl die Ausbildung als auch die Bezahlung der Pfle- gekräfte verbessern sollen. Das ist zu begrüßen. Gleichzeitig stellt sich immer die Frage nach der Finanzierung. Wie auch in der Krankenversicherung benötigen wir in der Pflege einen gesellschaftlichen und politischen Konsens, wie dieser Versor- gungsbereich nachhaltig finanziert werden kann. Es ist abseh- bar, dass die Mittel der Pflegeversicherung nicht ausreichen werden, um am Ende der nächsten Jahre ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen. Die zuletzt auf den Weg gebrachte Re- form der Pflegeversicherung wird aller Voraussicht nach nicht mehr das Licht der Welt erblicken. Aus Fraktionskreisen des Bundestages wurde bereits signalisiert, dass vor dem Hinter- grund der sich abzeichnenden Haushaltslöcher keine weiteren kostensteigernden Reformmaßnahmen mitgetragen werden. Damit wird das Problem aufgeschoben und der künftigen Bun- desregierung hinterlassen. Die Bilanz der gesundheitspolitischen Regierungsarbeit der amtierenden Bundesregierung fällt durchwachsen aus – vie- le wichtigen Aufgaben wurden angepackt und auf den Weg gebracht. Allerdings sind diese in weiten Teilen kostenintensiv und es mangelt an einer soliden Gegenfinanzierung. Der große Wurf für eine nachhaltige Finanzierung der GKV und der sozia- len Pflegeversicherung ist ausgeblieben. Das wird die zentrale Aufgabe der kommenden Bundesregierung werden. Die durch die Pandemie erschwerten Rahmenbedingungen lassen gar keine andere Wahl. Wir appellieren aber ausdrücklich und weiterhin, von Zentralis- mus und Vereinheitlichung in der GKV Abstand zu nehmen. Das eigentliche Ziel, Wirtschaftlichkeitsreserven zu erschlie- ßen, wird damit nicht erreicht. Wir benötigen stattdessen mehr regionalen Handlungsspielraum in den Ländern, um die Versorgung bedarfsgerecht mit den Partnern und Verantwort- lichen vor Ort gestalten zu können.  


































































































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