Page 9 - Geschäftsbericht_2020
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Selbstverwaltung 9  der Gesundheitsschutz und die Freiheitsrechte in ein angemessenes Gleichgewicht gebracht werden können. Die einen fordern einen harten bundesweiten Lockdown, die anderen wiederum Öffnungen. Es ist eine immens schwierige Auf- gabe für Bund und Länder, den verschiedensten Interessen gerecht zu werden. Aber den Födera- lismus mit all seinen berechtigten Vorteilen gänz- lich in Frage zu stellen, wäre zu weit gesprungen. Gleichwohl muss es eine konstruktive Diskussion darüber geben, wie wir künftig die Parlamen- te und die Gesellschaft in unserem föderalen System in den Entscheidungsprozessen besser abbilden können. Herr von Reyher: Die Impfkampagne ist das entscheidende Thema. Wir stellen fest, dass wir in diesem Zusammenhang in Abhängigkeit ste- hen und Europa hier noch nicht selbständig die Versorgung mit Impfstoffen für den Kontinent sicherstellen kann. Die mit europäischem Geld entwickelten Impfstoffe werden von einer US- amerikanischen Firma vertrieben, die wieder ganz eigene Interessen hat. Eine Lehre hieraus muss sein, dass wir in Europa neben der Impfstoffent- wicklung eine unabhängige Impfstoffproduktion auf die Beine stellen müssen. Das geschieht auch schon. Es muss aber weit mehr investiert werden, um den Bedarf in Zukunft decken zu können. Denn es handelt sich um eine Pandemie, die am Ende auch global bekämpft werden muss. Aber das geht nicht von jetzt auf nachher. Bis wir das erreichen, wird es viel Zeit brauchen und wir wer- den viel Kraft und Geld aufbringen müssen. Die 2020er Jahre werden von dieser Herkulesaufgabe geprägt sein. Stichwort „Geld“ – die wirtschaftlichen Schäden sind heute schon immens mit al- len Konsequenzen auf die Haushalte von Bund und Ländern und natürlich auch auf die Sozialversicherung und die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Was muss aus Ihrer Sicht die nächste Bundesregierung in Angriff nehmen, um Stabilität zu gewähr- leisten? Herr von Reyher: Es braucht einen nationalen und dar- über hinaus einen europäi- schen Kraftakt. Aus meiner Sicht muss die Politik offen spielen und klar benennen, dass der Weg in die Zukunft auch Geld kosten wird. Eine flächendeckende Gesund- heitsversorgung braucht eine stabile Finanzierung. Das ist das A und O, gerade in ei- ner Pandemie. Nach dem Vermögensabbau durch das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) sind die Finanzreser- ven bei den Krankenkassen aufgebraucht. Daher ist die Initiative der Bun- desregierung, den Bundeszuschuss an den Ge- sundheitsfonds für das Jahr 2022 zu erhöhen, folgerichtig. Die neue Regierung muss als einen Eckpfeiler zur Krisenbewältigung ein ganz klares Signal zur Finanzstabilität für die kommenden Jahre setzen. Herr Strobel: Ergänzend möchte ich sagen, dass wir neben der finanziellen Sicherheit auch strukturelle Veränderungen im deutschen Ge- sundheitssystem brauchen. Es ist ja nicht so, dass vor Corona alles bestens war. Die Fragen nach der künftigen Sicherstellung der ärztlichen Ver- sorgung in ländlichen Regionen oder den Struk- Dietrich von Reyher Alternierender Verwaltungsrats- vorsitzender des BKK Landesverbandes Süd und Verwaltungsrats- mitglied der Bosch BKK (Arbeitgeber- vertreter)   


































































































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