Portrait einer Arbeitssuchenden: Herzblut, Hoffnung, Haltung

· Kornwestheim

Portrait einer Arbeitssuchenden: Herzblut, Hoffnung, Haltung

15 Jahre Sozialarbeiterin. 25 Jahre Management-Beraterin. Über Nacht arbeitslos. So kämpft sich die Powerfrau zurück. Erfolgsbericht einer Kursteilnehmerin am Modellprojekt „Gesundheitsförderung für arbeitslose Menschen“.

Ruth Schreiber (Name geändert), 61, kommt lächelnd und mit flottem Schritt zum Gespräch. Sie ist groß gewachsen, schlank und modisch gekleidet. Sie ist eine jener Menschen, bei denen die Sonne aufgeht, wenn sie den Raum betreten. Dann sprudelt es auch schon aus ihr heraus: „Der Sportkurs war klasse. Einfach irre, dass ich überall mitgekommen bin. Endlich mal wieder ein Erfolgserlebnis.“ Freudig berichtet sie mir über die Kurse der „Gesundheitsförderung für arbeitslose Menschen – Verzahnung von Arbeits- und Gesundheitsförderung in der kommunalen Lebenswelt“. Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bietet seit 2016 gemeinsam mit ausgewählten Arbeitsagenturen und Jobcentern diese Kurse zur Ernährung, Bewegung und Stressbewältigung an. Das Bewusstsein der Arbeitssuchenden für deren physische und psychische Gesunderhaltung soll dadurch gestärkt werden.

Früher sei sie immer sportlich gewesen. Habe täglich Yoga gemacht und sei Rad gefahren. Sogar Ayurveda-Kuren habe sie gemacht und danach die Impulse in den Alltag integriert. Vor zehn Monaten dann die Arbeitslosigkeit. Plötzlich traute sich die Dame mit dem ansteckenden Lachen nicht mehr vor die Tür. Sie fiel in ein Loch. „Die Hürde, irgendwo mitzumachen, mich irgendwo anzumelden, unter Menschen zu gehen war anfangs sehr hoch. Diese Kurse sind ausschließlich für Erwerbslose, also für Menschen, in der gleichen Situation wie ich. Da war die Überwindung nicht so groß.“, räumt Schreiber ein. Andere Kursteilnehmer ergänzen: „Diese Angebote haben uns den nötigen Anstoß gegeben, Körper und Geist wieder zu fordern und vor allem auch zur Ruhe kommen zu lassen. Loslassen, Entspannung und positive Gedanken sind ebenso wichtig.“ 15 Jahre als Sozialarbeiterin und 25 Jahre als Management-Beraterin hat Schreiber gearbeitet. Zu ihren Kunden gehörten Kliniken, Werkstätten für behinderte Menschen, Betriebe, Kommunen und Banken. Ihr Steckenpferd ist Change Management.

Schreiber lebt alleine. Seit ihrer Arbeitslosigkeit schreibe sie nur noch Bewerbungen. Auf Recherche und individuelle Anschreiben lege sie großen Wert. Jede Bewerbung bedeute Herzblut, Hoffnung und oftmals Enttäuschung. Die automatischen Absagen per Computer seien Gift für die Seele. Die Treffen mit ihrem Freund waren lange Zeit ihr einziger Kontakt nach draußen. Das hat sich durch die Kurse geändert. Schreiber gesteht: „Es tut gut rauszukommen, wieder Termine zu haben, neue Leute kennenzulernen. Dass überhaupt mal wieder jemand nur hallo zu einem sagt, ist schon ein tolles Gefühl.“

In ihrem Kochkurs sei sie noch schneller mit den anderen ins Gespräch gekommen. Der Kurs biete mehr Möglichkeiten zum Reden. Auch Freundschaften seien daraus entstanden. Man tausche sich über die Arbeitssuche, Bewerbungen, aktuellen Gemütszustand aus und achte innerhalb der Gruppe aufeinander. Die sozialen Bindungen sind nicht zu unterschätzen“, betont Schreiber. Stolz berichtet Schreiber, sie sei neuerdings Mitglied des internationalen Beirats ihrer Heimatstadt. Ein Ehrenamt für fünf Jahre. Sie habe sich gegen 20 weitere Mitbewerber durchgesetzt. Zwar sei das noch keine bezahlte Arbeit, aber immerhin ein Anfang. Eine weitere Chance zum Netzwerken und zur Strukturierung des Alltags.

„Dank der Kurse zur Gesundheitsförderung habe ich wieder mehr Körperspannung, eine aufrechte Haltung, achte auf meine Gesundheit und gehe wieder positiver durchs Leben. Das hilft auch in zukünftigen Vorstellungsgesprächen“, ist sich Schreiber sicher. „Die Kurse markieren für mich den Anfang des Weges zurück in die Gesellschaft. Ich verstecke mich nicht mehr.“

Leider wüssten viele nicht, dass es diese Kurse gibt. „Sonst würden sich viele Arbeitssuchende einfacher tun, wieder Fuß im Leben zu fassen“, ist Schreiber überzeugt.

Information:

Auf Wunsch der Gesprächspartnerin wurde der Name geändert. Anfragen von Arbeitgebern oder Journalisten leiten wir sehr gerne an die sogenannte Frau Schreiber weiter.

Im „Modellprojekt zur Verzahnung von Arbeits- und Gesundheitsförderung“ arbeiten die gesetzlichen Krankenkassen seit 2016 mit der Bundesagentur für Arbeit, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städtetag zusammen, um die gesundheitliche Situation von arbeitslosen Menschen zu verbessern. Die Partner verbinden Arbeitsförderung und Gesundheitsförderung, indem sie unter anderem speziell auf die Bedarfe arbeitsloser Menschen abgestimmte Präventionsangebote entwickeln und bereitstellen. Gemeinsames Ziel der Kooperationspartner auf Landesebene ist es, die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Erwerbslosen zu verbessern und das Bewusstsein für die physische und psychische Gesunderhaltung zu stärken. Dies kann die Chancen auf einen Wiedereinstieg in das Berufsleben erhöhen. Bisher wird das Projekt in Baden-Württemberg an dreizehn Standorten umgesetzt. Weitere acht Standorte kommen in diesem Jahr hinzu. In gesundheitsorientierten Beratungsgesprächen sensibilisieren Jobcenter und Arbeitsagenturen Erwerbslose für deren Gesundheit und motivieren diese, auf freiwilliger Basis spezifische Gesundheitsförderungs- und Präventionsangebote des GKV-Bündnisses für Gesundheit zu nutzen. Jobcenter, Arbeitsagenturen, Krankenkassengemeinschaft und weitere kommunale Partner wie Gesundheitsamt, (Sport-) Vereine bis hin zu Arbeitsloseninitiativen, unterstützen Arbeitssuchende dadurch mit niedrigschwelligen und nachhaltigen Angeboten. Das Projekt wird von der Krankenkassengemeinschaft sowie den Jobcentern und Arbeitsagenturen finanziert.

Der BKK Landesverband Süd nimmt die Interessen von 24 Betriebskrankenkassen und deren Pflegekassen mit Sitz in Baden-Württemberg und Hessen wahr. Hinter den Betriebskrankenkassen stehen namhafte und traditionsreiche Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen. Betriebskrankenkassen bilden neben der Knappschaft die älteste Form der solidarischen Krankenversicherung in der Geschichte Deutschlands. In Baden-Württemberg und Hessen leben 2,3 Mio. Menschen, die bei einer Betriebskrankenkasse versichert sind.

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